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Santiago de Chile

Dienstag 31.10. 

Santiago wird sich ganz schön anstrengen müssen, um dem direkten Vergleich mit Buenos Aires statthalten zu können. Und hat jetzt schon haushoch verloren. 

Wir sind zwar im 18. Stock direkt im Zentrum und haben einen tollen Ausblick von oben über die Stadt, aber der Ausblick könnte auch über Moskau oder irgendwo im Ostblock sein. Sprich: sieht halt nicht so hübsch aus wie die kleinen netten Balkone der Häuser in Buenos Aires. 

da oben wohnen wir


Außerdem ist das Wetter trist am Vormittag, was nie förderlich ist für eine gute Bewertung einer neuen Stadt. 

Plus: um 9:33 Uhr haben wir schon das erste Erdbeben der Stärke 5,3. Im letzten Monat gab es angeblich 3, im letzten Jahr 70 Erdbeben, kommt also hier häufiger vor. Trägt aber auch nicht zum Wohlfühlfaktor bei. 

Am Nachmittag habe ich 2 Stunden frei zwischen zwei Arbeitsterminen, die wir nutzen, um die Gegend um unser Airbnb zu erkunden. Wir landen im einzigen (für uns) netten Cafe und genießen eine heiße Schoki mit Hafermilch plus einen veganen Keks.

Santiago scheint verrückt zu sein nach Halloween. Überall werden Dekoration und Verkleidung verkauft. Ob die Leute alle zuhause oder außer Haus feiern, wissen wir allerdings nicht. Doch um 19 Uhr hören wir Kinder beim Nachbarn klopfen und "dulces" (Süßigkeiten) rufen. Zum Glück klopft niemand bei uns, denn hier hätte es nur gebackenen Kürbis gegeben oder halb gefutterte Ritter Sport Schoki. 

im Zentrum von Santiago

überall gibt es kleine Stände wo was zu essen verkauft wird ... die Vk-Stände bestehen aus alten Einkaufswagen

noch ein Kostüm gefällig?

tolle Wandmalerei


Erster Eindruck von Santiago: definitiv ärmer als Buenos Aires, nicht so hübsch, alles etwas schmuddeliger, die Leute sehen wieder traditioneller / andischer aus (Haut, Gesicht, generelles Aussehen), weniger sicher (uns haben mehrmals Fremde auf der Straße gebeten unser Handy in die Hose zu stecken, da es sonst leicht geklaut werden würde ... das hatten wir bisher nur in Quito so dringlich gehört). 

Und wo bitte sind hübsche Restaurants und Cafés für den westlichen Geschmack? Also definitiv nicht im Zentrum. Nicht, dass wir unbedingt dubaisch designte Restaurants brauchen, wir kommen auch mit einfachen Bodegas klar oder dem eigenen Kochlöffel, aber es macht was mit dem Flair einer Stadt, ob du hübsch essen gehen könntest oder eben nicht.


Mittwoch 1.11.

Kerstin ist fleißig am Arbeiten und Martin erkundet nochmal die Gegend gegen Mittag. Nah an der Wohnung gibt es einen kleinen Berg mit einer Burg, welche einen guten Blick über die Stadt bietet.

Heute ist Feiertag und das Verhältnis von normalen zu Leuten zu Leuten, wo man etwas aufpassen muss ist 50:50. Es regnet und ist zudem heute auch noch kalt, nicht gut für eine Stadtbewertung.

erstes Airbnb in Südamerika, wo es einen tollen Schreibtisch gibt

Ausblick mit schneebedeckten Bergen


Waschtag! Es gibt Maschinen in unserem Haus
 
 

Gegen Abend geht es dann in ein neues Viertel 'Providencia', welches eine bessere Gegend sein soll. Wir fahren zum ersten mal der U-Bahn, welche sich als sehr modern und effizient herausstellt. Man benötigt eine BIP-Karte, die 700 Pesos kostet und dann immer mit Geld aufgeladen werden kann.



Donnerstag 2.11.

Ganz schnell noch ein Video drehen, denn heute haben wir Einiges vor.

wir befestigen das LED Licht mit einer etwas abenteuerlichen Konstruktion und Martin checkt am Boden, ob eine der Kameras auch gut alles im Bild hat


Wir gehen zum Ringen. Aktuell sind in Santiago die Pan American Games, vergleichbar mit den Europameisterschaften.

Panamerikanische Spiele (spanisch: Juegos Panamericanos, englisch: Pan American Games) werden im Vierjahresrhythmus ein Jahr vor den Olympischen Sommerspielen ausgetragen. Die Wettkämpfe finden hauptsächlich in den olympischen Sportarten für Athleten des amerikanischen Kontinents statt. Diese Wettbewerbe werden nach den Regeln des Internationalen Olympischen Kommitees (IOC) und der verschiedenen nationalen Sportverbände ausgerichtet.

Und wir schauen Ringen an. Warum? Weil wir das noch nie live gesehen haben und ich alle wichtigen Sportarten irgendwann mal auf Spitzenniveau gesehen haben möchte.

Da wir keine Ahnung vom Ringen haben, fragen wir unseren Freund Google auf was es ankommt beim Ringen:
„Schultersieg oder Punktsieg! Das höchste Ziel im Ringen ist der Schultersieg: Ein Ringer, der seinen Gegner mit beiden Schultern auf den Boden drückt, gewinnt sofort. Wenn das keinem Ringer innerhalb der Kampfzeit gelingt, entscheiden die Punkte, die für Aktionen und Angriffe vergeben werden.“

Irgendwie hat Ringen was von Zickenkrieg und Ringelreihen. Aber es ist recht nett anzusehen und das Publikum macht gut Stimmung.




Nach 2 Stunden verlassen wir die Arena und fahren mit dem Bus weiter in ein bohemisches Viertel namens Bellavista. Wir müssen dringend ein Restaurant finden, denn wir wollen unter Mittag mit meinem Vater zoomen. Unser Paket, das wir vorletzte Woche von Montevideo nach Würzburg geschickt haben, hängt in Leipzig am Zoll fest und wir müssen klären, was da los ist. 

Der Kellner des Restaurants bekommt die Note 10/10 als bester Kellner unserer Reise, denn er ist spitzenmäßig drauf. Er winkt mit meinem Vater in die Kamera und ist so begeistert, dass er ausländische Gäste hat, dass er uns am Ende auf die Dachterrasse führt für Fotos machen, die eigentlich noch geschlossen ist. 



hübsches Haus im Stadtteil Bellavista

Blick von der Dachterrasse des Restaurants

Per Metro geht es zurück in unser Airbnb, bevor wir am Nachmittag nochmal zu einer Walking Tour im Viertel Yungay aufbrechen. Dieses ist für seine Wandmalereien und modernen Graffitis bekannt. 

Der erste Stopp ist im Museum für Menschenrechte. Dort warten wir zuerst vor einer großen verschlossenen Türe. Wir bekommen erklärt, dass es im kleinen Raum hinter der Türe stockdunkel sein wird. Für 5 Minuten sollen wir in den Raum gehen (als Gruppe) und ihn einfach auf uns wirken lassen. 

Ich erwarte auditive Peitschenhiebe oder Schreie, aber nichts dergleichen kommt. Nach etwa 4 Minuten wird an einer Seite eine riesige Wand mit beleuchteten Scherenschnitten eingeblendet. Diese sind über eine Spiegelwand ewig lang vergrößert und sollen die vielen Menschen darstellen, die immer noch seit Jahrzehnten vermisst werden. Während den Diktaturjahren der 70er und 80er Jahre sind viele Personen verschwunden (worden) und nie wieder aufgetaucht. Kein Mensch weiß, was (mit) ihnen passiert ist.

Außerdem wohnt in Yungay der Präsident von Chile, der seit knapp 2 Jahren im Amt und erst Mitte 30 Jahre alt ist. Es gibt zwar in der Stadtmitte einen richtigen Palast des Präsidenten, aber seit 1950 wohnen alle Präsidenten außerhalb in ihren eigenen Häusern oder Wohnungen. Ab und an fährt der Präsident sogar mit dem Fahrrad zur Arbeit in den Palast. Klasse! Wir hoffen, dass er sein Land voranbringen kann, denn es gibt aktuell eine Menge Baustellen, allen voran unserer Beobachtung nach Sicherheit und Armut. 


im Hof des Schulmuseums von Santiago, das früher eine Mädchenschule war

wir kaufen sehr leckeres Sauerteigbrot in einer fantastischen Bäckerei



im blauen Haus links wohnt der Präsident


von einer Dachterrasse hat man einen super Blick über die Anden

Zum Schluss der Tour besuchen wir den ältesten Barbershop der Stadt, der gleichzeitig der älteste von Lateinamerika ist und der zweitälteste der Welt. Hier in der Mitte, das metallene Box-Dings ist ein alter Handtuchwärmer.

Und tatsächlich versöhnen uns die Stadtteile Bellavista und Yungay mit Santiago. Bisher fanden wir Santiago ziemlich dröge und nicht besonders spannend. Wahrscheinlich lag das aber zu einem großen Teil auch daran, dass wir im Zentrum von Santiago übernachtet haben, was nachts für Touristen etwas gefährlich sein kann. 

Jeder hat uns gewarnt bei Dunkelheit dort rumzulaufen, doch ganz so schlimm fanden wir es jetzt auch nicht. Aber es war eben kein Viertel, wo man nachts nett bummeln kann, um ein hübsches Restaurant zu finden. Denn erstens ist nix mit nachts gemütlich bummeln und zweitens hat es im Zentrum keine schönen Restaurants. Nachts ist hier tote Hose.


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